Die Hängebrücke von Q'eswachaka (Nationales Kulturerbe Perus) Ein Besuch im Juni 2012

Man muss keine akrobatischen Fähigkeiten entwickeln, auch nicht schwindelfrei im herkömmlichen Sinne sein, sondern nur ein wenig Mut und Lust auf ein Abenteuer verspüren. Das genügt, um auf eine Brücke aus Andengras seinen Fuß zu setzen und genau 29,5 m schwebend über 30 m Abgrund zwischen engen Felswänden seinen Adrenalinspiegel steigen zu lassen.

Vor über 500 Jahren dienten solche Brücken den alten Inka zur Überquerung von Flüssen, die neben einem ausgeklügelten inkaischen Straßennetz von 40.000 km in allen Regionen ihres Reiches dazu dienten, Menschen, Tiere und Waren problemlos und schnell ihr Ziel erreichen zu lassen. Sie dienten strategischen und verwaltungstechnischen Zwecken und konnten den Spaniern später einen rascheren Zugriff bei ihren Eroberungszügen ermöglichen.Die letzte "noch intakte" Hängebrücke aus Inkazeiten wird bis heute traditionell an jedem 2. Sonntag im Juni von den Bewohnern mehrerer Ortschaften im Andenhochland bei Quehue und Huinchiri - Provinz Canas und 160 km von der alten Inkahauptstadt Cusco entfernt – neu gebaut.

Das Pampa- oder Ichu-Gras (Q'oya Icchu) wächst in der Gegend und wird schon Monate zuvor gesammelt und vorab von den Frauen an Ort und Stelle verarbeitet: Die langen und starken Halme werden mit Steinen weich geklopft, befeuchtet und dann zu Zoepfen geflochten, die wiederum zu immer Größeren zusammen gebunden werden bis es schließlich ganz dicke Taue sind.

Diese werden von einer langen Männerkette zur Brücke getragen und mit Hilfe eines Pilotseils nacheinander über die alte Brücke gezogen. Ein Tauziehen beginnt nun von beiden Seiten, damit die Enden der Taue an den Brückenpfeilern im Stein verankert werden können (Gesamtlänge 40 m). Es sollen nicht weniger als 20.000 m für die erforderlichen 6 dicken Taue über dem schäumenden Apurimac-Fluss ("Sprechender Gott") in 3.700 m benötigt werden. 4 Taue sind der "Weg" (etwa 1 m breit), die beiden seitlich erhöhten Taue bilden das Geländer, das mit feineren Zöpfen relativ blickdicht verknotet wird. Die alte Brücke wird später abgeschnitten und in den Fluss geworfen..Diese Arbeiten dauern insgesamt drei Tage. Es ist noch heute eine vorbildliche indianische Gemeinschaftsarbeit und erinnert an die grandiose Ingenieursleistung früherer Zeiten. Eigene überlieferte Gesetze schreiben es vor, dass nur den Männern die Arbeit unten an der Brücke gestattet ist. Nach einem feierlichen Ritual eines Schamanen, der die Geister beschwört, um Unglücke und Abstürze abzuwehren, dürfen vor den

indigenen Autoritäten die Paten/Geldgeber als Erste die Brücke überschreiten (seit 2009 die Banco Interamericano de Finanzas, BIF). Danach wird sie sowohl der Bevölkerung als auch den wenigen Touristen, die sich in diese einsame Andenregion verirren, für weitere 364 Tage anvertraut - solange sie die Brücke trägt und durch klimatische und andere Einflüsse nicht allzu große klaffende Löcher im Geländer aufweist, die den Blick nach unten freigeben und eine Torschlusspanik auslösen könnten.

Eine neue Stahlbetonbrücke in umittelbarer Nähe erleichtert allerdings den Schwertransport im 21. Jahrhundert. Mein Wunsch, dieses Ereignis als nicht-professionelle Filmerin begleiten zu dürfen, wurde von den Dorfbewohnern abgelehnt. Frauen haben bis zur Einweihung keinen direkten Zugang zu den Arbeiten unten an der Brücke. Meinen Freunden Christine und Kurt Rosenthal war es 1979 als erste deutsche Filmemacher u.a. in dieser Gegend Perus noch gelungen, mit ihren peruanischen Partnern problemlos eine Dreherlaubnis zu erhalten. Lag es wohl daran, dass sie sich den Dorfbewohnern gegenüber respektvoll verhalten haben und Andere danach nicht mehr? Ist es der Aberglaube, dass Frauen Unglück bringen? (www.rosenthalart. com). Männliche Filmteams, die heutzutage eine Drehgenehmigung erhalten, müssen tief in die Tasche greifen. Für nachhaltigen Tourismus setzt sich heute die Promotorin, Ing. Carmen Arróspide Poblete aus Cusco ein (Patronato de Cultura de Machu Picchu y del Puente de Q'eswachaka). Der Weg ist schon das erste Ziel: Von Cusco aus geht es in südlicher Richtung (Strecke nach Puno/Titicacasee), um nach 108 km bei Combapata Richtung Yanaoca abzubiegen. Was danach folgt, ist einsames Andenhochland mit vereinzelten Gehöften bis über 4.000 m bevor bei Ichupampa die Schotterstraße sich in Serpentinen steil ins Tal des Apurimac hinab windet.